Der Anfang 2020 gegründete Caracol Verlag der Autorinnen & Autoren soll Schreibenden in der Schweiz und darüber hinaus eine Heimat bieten.
Caracol ist spanisch und bedeutet Häuschenschnecke. Caracol nannten die Spanier ein Observatorium in der Maya-Stadt Chichén Itzá (Yucatán/Mexiko), wegen der gewundenen Treppe, die im Innern in die Tiefe führt. Ausblick und Weg nach innen: Für beides ist der Verlag offen.
Caracol ist ein «Haus» für Schreibende wie auch für ihre Leser. Wer schreibt / wer liest, zieht sich ins Schneckenhaus zurück, steigt hinab ins Innere, die Psyche, oder hinauf zum Ausblick über Landschaft und Gesellschaft, Zeit und Welt.
Wir verlegen Prosa und Lyrik. Der Schwerpunkt des Verlagsprogramms liegt auf literarischer Qualität und gesellschaftlich relevanten Themen.
Im April erscheinen zwei Bände der Reihe Caracol Lyrik und ein Band der Reihe Caracol WortArt. E in ogni crepa dorme una lucertola / Und in jeder Ritze schläft eine Eidechse: Zum 100. Geburtstag des Tessiner Schriftstellers Plinio Martini bringen wir eine zweisprachige Anthologie seiner vergriffenen Lyrik, ausgewählt und übersetzt von Christoph Ferber, mit einem Nachwort von Alessandro Martini. Schattenkaleidoskop: Irène Bourquin evoziert in ihrem Lyrikband lebendige Bilder einer Reise durch die Provence nach Ligurien. Diese Gedichte sind ein Reisen in der Sprache. Sie zeigen mediterranes Ambiente mit dunklen Untertönen. Zeichnungen von Isabella Looser begleiten die Texte. Reise nach Tatti: Ruth Erat erzählt in zwei Strängen von einer Reise in die Toskana, die zum Abenteuer wird, und von Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen wie auch über den Zustand der Welt. «Autofiktion mit Übermalungen» nennt die Autorin und Malerin ihr Buch, das Lukas Erat für die Reihe WortArt graphisch gestaltet hat.
Schlängelstraße
durch wuchernde Wälder
Korkeichen Kiefern Kastanien
sattes Grün auf roter Erde
Ginsterflammen leuchtend
weiße Striche am Rand
tückische Straßengräben
im Hitzehorizont
der Feuerteufel
Dieser Gedichtband von Clemens Umbricht nimmt die Lesenden in sieben Kapiteln mit auf imaginäre Reisen in verschiedene Erdteile und Epochen. Das Alphabet des Archaeopteryx überfliegt weite Zeiträume und führt nah an die Gegenwart heran, in die Gedankenwelten von Alberto Giacometti, Stan Laurel, Mary Wollstonecraft Shelley und von vielen weiteren Exponent*innen der Zeitgeschichte. Stets lauscht ihnen der Autor überraschende Einsichten ab. Berichte von Gedankenreisen, Selbstbefragungen: Clemens Umbrichts neue Gedichte bewegen sich assoziationsreich zwischen Literatur und Philosophie, Lyrik und Prosa. Mit soviel Ernst wie Selbstironie und Witz misst der Autor «die Widersprüche am Luftdruck» und «schüttelt Fortsetzungspunkte aus den Sandsäcken / im Heißluftballon hinter den Erklärungen.»
Von der Idee auszugehen, in Delft zu sein.
Spitzenklöpplerin, Astronom, Geograf.
Gemalt auf den Stufen der Farbtonleiter,
Ultramarin, Bleizinngelb und Zinnober.
In der Küche stehend oder im Arbeitszimmer,
wie immer in der Verrichtung des Alltags,
mit dem Steckzirkel Seekarten abschreitend,
nähend, lesend, musizierend, schlafend.
Jedes Gesicht das Porträt aller Gesichter,
Rollen, angenommen für die Camera obscura,
für ein Stück Käse, einen gedeckten Tisch.
Angehaltene Bewegungen, Genrebilder
für das Licht und die Allegorie des Lichts
und die Harmonisierung von Schwarz.
Von der Idee auszugehen, von der Haarnadel
der Briefleserin, dem Perlenohrgehänge.
Porzellan der Idee, Anheben des Milchkrugs,
Gitarrenspiel, Klang des Virginals.
föhrennadelduft fläzt auf kalkstein
zu flimmernder weiße erhitzt
und graslilien neigen blüten
in die leere
in die
zwitschernd ein vogel fällt
die kinder rufen stand!
eine kletterwand mehr im rucksack
die luft steht reglos
wie eine schwebefliege
In ihrem ersten Lyrikband nimmt Sabine Abt uns mit in ihr spontanes Erleben, das emotional ist, aber auch reflektiert wird, wobei sie überraschende Bilder findet für Visionen einer flimmernden Wirklichkeit. Im Betrachten der Natur, die als beseelt erscheint, wird die Autorin zur «Übersetzerin» zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen. Doch der Themenfächer öffnet sich weiter: der Mensch im Lauf der Jahrtausende; Liebe, Leben und Sterben; Politik und die Erlebniswelt eines Kindes.
Sabine Abts Lyrik ist geprägt von fliessenden, manchmal tanzenden Rhythmen, von Klanggesang und Alliterationen – die Musikerin die sie auch ist, wird in den Gedichten spürbar.
auf dem berggipfel
einfach sitzenbleiben
zuschauen
wie die flanken sich röten
licht wie aus glas
himmel und haut violett
werden lassen
schwarzgerändert
in sternenlöchern
verschwinden
nur hier wird getanzt
auf genau dieser wiese im wald
weiß das kind und zeigt auf die
moosfingerbeete aus winzigen
wirbeln gestaffelt geschichtet
im graugrünen schaum aus schachtelhalm
unter dunklen lamellen der tannen
wie auerhahnfedern übereinander
gelagerte sich drehende räder
von unten bis oben ineinander
ein leises gesirre von wer
weiß was noch wenn wir
den rücken wenden
Das Saxophon der Wälder.
Der schwindende Hunger des Lichts.
In voller Fahrt stillstehen,
weil wir die Farben bewohnen.
Ein paar Schritte gehen, auf dem Laub.
Als ob die Wetterpracht schweben könnte.
Glänzende Raureifkonfetti,
Kälte aus frisch gehauchtem Nebel.
Mooskringel, Monsterpilze.
Auch tagsüber schlottern die Otter.
Weitergehen. Wespen. Pizza.
Die Sonne tropft ins Spinnennetz.
Wechselblüter. Sonntagsausflügler.
Mit klatschnassem Hintern auf der Gartenbank.
verlieren
zuerst den kopf und dann den mantel
in den menschenmengen verdampfen die
konturen der gedanken
vielfarbig ausgefranst der blick
auf friesenfragmente und brocken am boden
wie abgehackte köpfe oder pfoten
raubtierfellknoten
die manchmal plötzlich knurren
wenn niemand hinhört
Mauerlæufer 8 Strom/Strömung
Der Mauerlæufer ist hervorgegangen aus einer Initiative von AutorInnen rund um den Bodensee. Die erste Nummer des Literarischen Jahreshefts ist 2014 erschienen, Nummer 8 im September 2022. Jede Nummer hat ein Thema und bringt eine Vielfalt von Texten, Bildern, Fotos, alles in origineller graphischer Gestaltung.
Für die Schweiz besorgt der Caracol Verlag den Vertrieb. Alle noch lieferbaren Nummern von Mauerlæufer können über uns bestellt werden.
Dieser Erzählband vereint Prosa von sieben Autorinnen und Autoren. Es wurde bewusst kein Thema vorgegeben, sodass die Schreibenden mit einem breiten Spektrum an Geschichten aufwarten. Erika Frey Timillero beleuchtet in der titelgebenden Erzählung «Anatomie eines Dreiecks» die Gefühlskonflikte von Tom, Pilar und Iris, die in einer Dreiecksbeziehung gefangen sind. In Markus Bundis Geschichte «Die Fee vom Bodensee» eröffnet Annegret nach einem Urlaub in Bulgarien die Wohlfühloase ‹The Rufa›, in der sie und ihre Knabberfische Körper und Seele heilen, doch eines Tages verschwindet die Fee spurlos.
[…] Auf jedem Pult waren zahlreiche Stempel versammelt, von verschiedener Größe und Wichtigkeit, eine Stempelhierarchie. Auf keinem Pult fehlten ein Aschenbecher, ein Tintenfass und ein Federhalter mit Spitzfeder. Kugelschreiber waren amtlich noch nicht zugelassen. […]
Auffällig waren die zahlreichen Kakteen; sie befanden sich auf den Aktenschränken und auch auf den Pulten. Sie waren meist klein: kugelförmige, säulenförmige, mit und ohne Stacheln. Einige blühten. Wer wohl kümmerte sich um sie, hatte sie in diese düstere Amtsstube gebracht? War der Chefbeamte, der zuhinterst im Raum thronte und alles überblickte, ein Kakteenliebhaber? […]
trägt Toga liegt bequem zu Tisch
Trinkkönig Trinksprüche Musik Musik
Die Mundschenken wimmeln. Auf Caesar
den Triumphator vivat! Im Becher statt
Falernerwein die neuste Sensation: Bier
aus dem Hohen Norden mit Bilsenkraut
und Honig versetzt würzig und süß ergo
bibamos
Unter dem vieldeutigen Titel DRIFT hat Monika Schnyder in ihrem neuen Lyrikband sechs Gedichtzyklen zusammengestellt: «Plagegeister», «Tiflis», «Brot&Bier», «Cupido», «Krokodilopolis», «Doggerland». Die Lektüre führt vom Jetzt zurück in prähistorische Zeiten. Lesend spürt man den Sog der Jahrtausende.
Schnyders Schreiben ist geprägt von einem starken Interesse für wissenschaftliche Fakten, aber ebenso von Humor und Witz, speziell bei historischen Verweisen. Sie schreibt in schwingenden Rhythmen. In den neusten Texten lösen sich die Zeilen auch graphisch in freie Rhythmen auf.
Dieses Buch enthält Texte – Schriftdeutsch und Dialekt – aus drei Lyrikbänden von Fred Kurer. Die von Christoph Ferber ausgewählten und übersetzten Gedichte wurden von Irène Bourquin neu zusammengestellt. Zudem hat Aurelio Buletti einen kleinen Kurer-Zyklus in den Tessiner «Bähnler-Dialekt» übersetzt.
Kurers Themen: Fernweh und Heimat, «kleine Abstecher» in Europa oder Nordafrika und lange Aufenthalte in den Wüsten Australiens, der Säntis und die Familie, Liebe und «Altersblues», Nachdenken über die menschliche Existenz, ironisch, witzig, melancholisch, immer in einer lebendigen Sprache mit vielen Untertönen.
wa mi fertig macht
a somene haiku isch
chum isch es fertig
scho fangsch wieder aa
sibezä silbe zele
drom schriib i kais me
ciò che mi secca
in un haiku è quando
lo hai finito
conti riconti
sillabe diciassette
no dici basta
Das Stück spitzt sich auf diesen einen Satz zu, das Publikum hat sich während zwei Stunden darauf vorbereitet. Die Regie gibt dir die Möglichkeit, ihn im hellen Licht an der Rampe zu deklamieren. Du atmest ein, in diesem Moment, als bliebe die Zeit stehen, du siehst dir vom Schnürboden aus zu, das Publikum ist gespannt auf den Satz, der jetzt folgen muss, den alle kennen. In diesem Moment. Jetzt. Du flüsterst ihn heute. Es passt so. Und dann rauscht der Applaus. Du hast das Theater schon verlassen, als sich dein Körper noch verbeugt.
Diese Sammlung von kurzen Prosatexten bezeichnet Matthias Müller als «Zeitraffer-Meditationen». Sprache ist hier Ausdruck des grossen Panta rhei – und doch pflückt sie erinnernd Jetzt-Momente eines Du, verschiedener Dus in verschiedenen Lebensphasen.
Von der Sprache sich erzählen lassen, was man denkt und fühlt, wer man ist, was Zeit ist, was Leben: Der philosophische Ansatz, in dem das Fliessen der Sprache eins wird mit dem Fliessen der Zeit, dem Überblenden von Erinnerungen, hat in diesen Kurztexten eine Fülle von Leben zu bieten
Die Schweizer Autorin Gabrielle Alioth lebt seit bald 40 Jahren in Irland, im County Louth an der Ostküste, nördlich von Dublin. Täglich frühmorgens geht sie mit ihrem Hund am nahen Strand spazieren, der Seapoint heisst. Was sie dort sieht, erlebt und ersinnt, zeigt dieses Buch in 52 Bildern, begleitet von 12 Prosatexten in Deutsch und Englisch.
Die Fotos der Autorin, zu einem Jahresablauf angeordnet, reichen von Detailaufnahmen wie Seesternen, Spuren am Strand über eindrückliche Wasser- und Wolkenlandschaften hin zum Lichtspiel der Sonne und bis zu fast abstrakt wirkenden Bildern der Morgendämmerung. – Der Strand ist Realität und Mythos zugleich.
[…] Clíodhna muss gewusst haben, dass sie mit Ciabhán nicht auf der Insel bleiben konnte. Sie flohen im Boot mit dem Kupferbug. Als sie in einer Bucht anlegten, ging Ciabhán in den Wald, um einen Hirsch zu erlegen. Da kam Manannán mac Lir mit vierzig Schiffen, um Clíodhna zurückzuholen. Ichnu der Flötenspieler spielte sie in den Schlaf, und das Meer erfasste sie. Seither trägt jede zehnte Welle in dieser Bucht Clíodhnas Namen.
Die Welt unter Wasser muss von einem grünlichen Licht erfüllt sein. Früher fanden Fischer manchmal Apfelblüten in ihren Netzen oder einen goldenen Becher. […]
Du sitzt in der Telefonkabine mit Hugo Loetscher. Er spricht über Poesie und raucht. Der Rauch mit Menthol-Aroma ist so leicht, dass sich die Telefonkabine anzuheben beginnt. Er spricht und raucht. Und du sähest das Land von oben, bereit für das Spiel des Erkennens. Wenn nur der Rauch nicht die Sicht verdeckte. Du hast Angst davor, die Türe der Telefonkabine zu öffnen. Zeit aufzuwachen.
Nordmanni barbari ihr
Piraten und Zecher vor dem Herrn
dem göttlichen Odin der sich so Snorri
ausschließlich von Met ernährte. Met
raunen die Nordmänner in ihrer dönsk
tunga Met Met. Sie bauen Schiffe
Drachenschiffe setzen Segel. Draußen
im Meer die Midgardschlange zischt
Im Futterhäuschen finden Sie alle Texte, die von Ende März bis Anfang Mai 2020 als «Lesefutter für Zuhause» auf der Startseite unserer Verlagswebsite erschienen sind.