Der Leopardenmeister


Der Leopardenmeister
Der Leopardenmeister
Phantastika
Cover: Graphische Gestaltung von Eva Hocke
112 Seiten
12 × 20.5 cm
April 2021
Reihe: Caracol Prosa, Band 5
978-3-907296-07-3
  • 20 CHF
  • 20 €
Lieferbar

Auch im vierten Buch von János Moser werden die Fans des jungen Aargauer Autors finden, was sie an seinen Texten fasziniert: eine doppelbödige Realität, Wirklichkeit(en), die im Laufe der Erzählung ins Surreale, Absurde kippen. Die Verschiebung der Wahrnehmung kann schleichend geschehen oder überraschend, abrupt. Manche von Mosers Figuren gelangen unfreiwillig in fremde Welten, andere suchen bewusst das Abenteuer, die Grenzüberschreitung.
Ein Bruchpilot findet in den Wolken eine Vogelstadt und wird von den geflügelten Bewohnern zum Kriegshelden umfunktioniert. Hasen untergraben ein riesiges Maisfeld und halten in ihren Höhlen Zweibeiner als Gefangene. Der Leopardenmeister ist eine schillernde Figur. Der Mond erobert die Erde mit geheimnisvollen Zeichen und kaltem Licht. Ein Feuerwehrmann entdeckt das Volk der Flammen und verliert dabei sein Berufsethos. Im Kraftwerk haust ein riesiger Fisch und im eisernen Käfig über der Rathausgasse hockt – ja, was?

János Mosers Erzählungen, spannend und unterhaltsam zu lesen, sind inspiriert von E.T.A. Hoffmann und doch ganz eigen. Am Ende bleibt oft ein Rätsel stehen. Figuren wie Lesende greifen sich verblüfft an den Kopf.

Textauszug

Auf dem Gerüst

Als ich eines Morgens den Kopf aus dem Fenster meines Ateliers streckte, ragte ein Gerüst vor der Hausfassade auf. Es sah aus wie das Skelett eines riesenhaften Tieres, das die Zeit überdauert hatte. Metallteile blitzten im Sonnenlicht, Querstangen teilten die Welt in Abschnitte. Bauarbeiter liefen über die Plattformen, ohne mich zu beachten. Ihre schweren Schritte brachten die ganze Konstruktion ins Wanken. Ich erinnerte mich dunkel an einen Brief der Verwaltung, den ich letzte Woche aus dem Briefkasten gefischt hatte. Wahrscheinlich wurde die Fassade neu gestrichen. Farbtöpfe oder Ähnliches sah ich aber nicht, und ich fragte mich, woran sie arbeiteten.
Ich schloss das Fenster wieder, betrachtete die mit Farben übersäte Leinwand und musste mir eingestehen, dass ich ja selbst nicht genau wusste, woran ich gerade arbeitete. Mein Auftraggeber, ein ältlicher Professor, hatte mich nach der Ausstellung in einer kleinen Galerie in Zürich kontaktiert. Meine abstrakten Bilder hätten ihm gefallen, und er fragte mich, ob ich nicht auch dazu bereit wäre, konkrete Kunst zu malen – ein Porträt. Da sich der Professor sehr für die Jagd interessierte, sollte es ihn in Jagdkleidung samt Hut und Gewehr darstellen. Trotz Bedenken hatte ich die exzentrische Forderung angenommen, nicht zuletzt, da es mir an Geld fehlte. In den ersten Wochen meiner Arbeit hatte ich den Professor ein paar Mal zu mir gebeten, um seine Züge einzufangen. Er war nie stillgestanden, hatte sich immerzu nervös über die Haare gestrichen, als belastete ihn ein Problem. So fiel mir das Malen schwer. Jedenfalls war ich froh gewesen, als er nicht mehr zu kommen brauchte. […]
Als ich eines späten Abends von einem dieser Spaziergänge zurückkehrte, war ein seltsamer Stoff um das Gerüst gespannt worden. Er sollte wohl vor unliebsamen Wettereinflüssen schützen. Eine dicke, grüne Haut. Arbeiter waren keine mehr zu sehen. […]

Rezensionen

Die fremdeste Form nebenmenschlichen Lebens

[…] Die dreizehn unter diesem Titel versammelten Erzählungen wirken, als blätterten Donna Haraway und Nikolai Gogol gemeinsam (und gut gelaunt) noch einmal durch Texte der Romantik, um an ihnen alles zu mobilisieren, was daran immer noch eher aus der Zukunft zu kommen denn in der Vergangenheit zu wurzeln scheint. Im Zentrum steht meist eine Interaktion der Erzählinstanz oder ihr Verhältnis zu einer nicht- oder, wohl genauer, nebenmenschlichen Entität: zum titelgebenden Leopardenmeister etwa, oder zu einem Fisch, der zwar spricht, dabei aber möglichst nicht kommuniziert […].
«Phantastika» nennt das der Untertitel des Buchs, und wahrscheinlich ist das richtig. Jede Erzählung erlaubt es einem, sie als eine mit unbändiger Erzähllust aufgeführte Feier der Vorstellungskraft zu lesen. […]

  • Sebastien Fanzun
in Schweizer Buchjahr 21 am 11. Oktober 2021 (Website)

János Moser: «Der Leopardenmeister»

[…] Die Hauptfiguren sind Normalos, die Schauplätze klein, gar etwas angestaubt und wirken wenig aufregend. Man findet sich wieder an einem Dorffest, in Aargauer Vorstädten, im Zoo Zürich oder auf einer Insel im Bodensee.
Aber immer dehnt sich über die Handlung etwas Unheimliches, das Grösseres erahnen lässt. Man hat das Gefühl, dass hier irgendwas nicht stimmt. Und dass dieses Irgendwas das Potenzial hat, die Welt aus den Angeln zu heben – und man wird ganz und gar nicht enttäuscht […]
War man in einer Sekunde vereinnahmt von einer scheinbar provinziellen Welt, steht man in der nächsten vor einer Unzahl an Abenteuern, Mythen und Geheimnissen.

  • Severin Bruttin
in Tagesanzeiger, Das Magazin am 9. Oktober 2021 (Website)
in Der Bund am 8. Oktober 2021 (Website)

Aargauer Autor János Moser: «Die Realität reicht mir nicht»

Hier küsst der Jupiter und das Skelett flucht. Ein Gespenst geht um in der Aarauer Rathausgasse und über dem Bodensee bringt eine schwebende Insel ein Flugzeug zum Absturz. Der Aarauer Autor János Moser erzählt in «Der Leopardenmeister» 13 Geschichten, die die Realität nicht zuliesse. […]
«Einige Ideen entstammen Kinderträumen», sagt János Moser, «ich habe Ideen von früher neu betrachtet.» Ein Kinderbuch ist «Der Leopardenmeister» aber keineswegs geworden. Es sind Märchen für Erwachsene […].

  • Anna Raymann
in Aargauer Zeitung, CH Media am 4. Mai 2021 (Website)
in Luzerner Zeitung, CH Media am 4. Mai 2021 (Website)

LeserInnen Stimmen

János Mosers Erzählungen sind ja nicht die einzigen, die vorzugsweise auf surrealem Terrain spielen, doch sie gehören zu den wenigen, wo man das als Leser gar nicht merkt. Sei es das Gespräch mit einem Skelett an der Universität, sei es ein Dialog im Kraftwerk mit einem Fisch – in der Vergegenwärtigung erscheint das eine wie das andere als Selbstverständlichkeit. «Feinsinnige Horizonterweiterung» nenne ich das; eben das, was nur richtig gute Literatur zu schaffen imstande ist.

  • Markus Bundi

Dieses Buch wurde gefördert von

  • Stadt Aarau, Abteilung Kultur
  • Hans und Lina Blattner Stiftung