Kahl war das Zimmer in der tropischen Üppigkeit Sri Lankas, bescheiden das Guest House am Stausee, der Garten aber voll Leben: Von Affensprüngen wogten die Bäume, Vogelgeschrei erfüllte die Luft, Heerstrassen der Ameisen verzweigten sich im Gras und führten ins Haus. Wohin nun mit den Bananen? Schnur her, den Strunk als süsses Paket an die Decke geknüpft, in der Mitte, wo die nackte Glühbirne baumelt. – Am nächsten Morgen läuft ein feiner schwarzer Faden durchs Zimmer, über den Boden, senkrecht die Wand hoch, schräg zum Licht, die Schnur hinab: Da hängen die fast leeren Schalen.
Theaterkurs für Schüler, Improvisation war angesagt, zum Thema: eine lästige Fliege. Östlich die Szene, ein Guru mit seiner kleinen Schar. Im Lotossitz der Meister, predigend mit milder Strenge, andächtig lauschend das Gefolge. Plötzlich Köpfewerfen, Händeklatschen, Gezappel: unhörbar, unsichtbar zieht etwas seine Kreise. Nur der Guru lässt sich nicht stören, gelassen verkündet er seine Lehre: Mitleid mit aller Kreatur. Zum Quell der Weisheit steuert die Fliege, geradewegs hinein – der Guru schluckt.
Hirschkäfer, wieder der Hirschkäfer! Höhnisch grinst er mich an, die Zangen gereckt. Im Schachbrettmuster der Memory-Karten verborgen, lauert das braune Ungetüm. Dort ist auch viel Schönes versteckt, das holt sich das Kind, mit sicherer Hand: Sonnenblume und Tagpfauenauge, Eichhörnchen, Reh und Schwan, Rotkehlchen, Seerose, Goldfisch, Schillerfalter und Camargue-Pferd. Die Bildpaare stapeln sich zum Turm, beim Sohn. Ich aber: Hirschkäfer, wieder der Hirschkäfer, zum siebten Mal – und nie den zweiten gefunden.
Die Texte sind aus dem Band Insektenbrevier, mit Holzschnitten von Nilla Six, Heubergpresse, Basel 1995.
Das Buch ist bei der Autorin noch erhältlich.
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