Unser zweites Programm umfasst vier Bände der Reihe Caracol Prosa: zwei Romane, eine Erzählung und einen Band mit 13 phantastischen Erzählungen. Diese vier Bücher, die wir im Folgenden näher vorstellen, erscheinen im April 2021. Alle Autorinnen und Autoren sind neu im Caracol Verlag.
Paula ist Witwe, gegen 60 Jahre alt. Ihre Tochter Moja wird im Alter von 25 Jahren wieder zum hilflosen Kind infolge einer psychischen Erkrankung. Paula schwankt zwischen Entsetzen und Trauer, Hilfsbereitschaft und Wut. Moja schottet sich oft ab, ist unerreichbar in ihrer eigenen Welt, wo sie sich mit ihren «Stimmen» unterhält. Die Mutter muss die Verantwortung für ihr Kind, das sie liebt, zeitweise an eine Klinik abgeben. Doch Moja verweigert immer wieder die Medikamente.
Mutter und Tochterkind: ein prekärer Seiltanz der Emotionen, während Moja langsam in die Unselbständigkeit abrutscht. Aber die beiden bleiben einander zugetan und es gibt auch friedlich-liebevolle Momente.
Ruth Loosli schildert die tragischen Ereignisse, die Rettungsversuche wie die Fluchten der Mutter, das Abdriften und stille Leiden der Tochter berührend, aber nicht larmoyant. Was als Ich-Erzählung beginnt, wandelt sich zur Erzählung in der dritten Person, wobei abwechselnd das Erleben von Paula und Moja gezeigt wird. Das doppelte Seelenleben, wie es Ruth Loosli in ihrem ersten Roman berührend evoziert, bewirkt beim Lesen einen Sog, eine Spannung.
Psychische Krankheit ist ein Drama, kann aber auch zum Abenteuer werden, gar Humor wecken. – Was ist Normalität?
In ihrem zweiten Roman bringt Silke Amberg drei Personen zusammen, die abwechselnd, aus verschiedenen Perspektiven, durch die Geschichte führen.
Fabienne, Redaktionsleiterin bei einem Lehrmittelverlag in Cambridge, erwartet ihr erstes Kind. Mario, als Filmemacher freier Mitarbeiter beim WDR in Köln, soll noch vor der Geburt zu ihr nach England ziehen. Im Moment, da die beiden zur Familie werden, kippt das Gleichgewicht ihrer Fernbeziehung, denn Mario sieht sich gezwungen, seine Heimat, seinen Job und seine Freunde zu verlassen. Damit hatte er nicht gerechnet, darüber wurde nicht rechtzeitig gesprochen. Ausserdem möchte Mario nach langer Zeit wieder mit der Tochter aus seiner früheren Beziehung Kontakt aufnehmen. Die bevorstehende Geburt seines zweiten Kindes lässt ihn spüren, wieviel er damals verpasst hat.
Fabienne ist in Cambridge auf sich gestellt und fühlt sich allein gelassen, während Mario sich in ein letztes Filmprojekt verbeisst. – Eine Freundin berichtet der Hochschwangeren am Telefon etwas, was Fabienne kaum glauben kann.
Auch Hanna, die dritte Stimme in diesem raffiniert konstruierten Roman, hat private Probleme, steht an einem Wendepunkt und kämpft mit Zweifeln.
In einer emotionalen Sprache zeigt Silke Amberg das aufgewühlte Seelenleben ihrer Figuren. Drei Menschen, die einander suchen, zusammen- und voneinander abprallen wie Billardkugeln.
Auch im vierten Buch von János Moser werden die Fans des jungen Aargauer Autors finden, was sie an seinen Texten fasziniert: eine doppelbödige Realität, Wirklichkeit(en), die im Laufe der Erzählung ins Surreale, Absurde kippen. Die Verschiebung der Wahrnehmung kann schleichend geschehen oder überraschend, abrupt. Manche von Mosers Figuren gelangen unfreiwillig in fremde Welten, andere suchen bewusst das Abenteuer, die Grenzüberschreitung.
Ein Bruchpilot findet in den Wolken eine Vogelstadt und wird von den geflügelten Bewohnern zum Kriegshelden umfunktioniert. Hasen untergraben ein riesiges Maisfeld und halten in ihren Höhlen Zweibeiner als Gefangene. Der Leopardenmeister ist eine schillernde Figur. Der Mond erobert die Erde mit geheimnisvollen Zeichen und kaltem Licht. Ein Feuerwehrmann entdeckt das Volk der Flammen und verliert dabei sein Berufsethos. Im Kraftwerk haust ein riesiger Fisch und im eisernen Käfig über der Rathausgasse hockt – ja, was?
János Mosers Erzählungen, spannend und unterhaltsam zu lesen, sind inspiriert von E.T.A. Hoffmann und doch ganz eigen. Am Ende bleibt oft ein Rätsel stehen. Figuren wie Lesende greifen sich verblüfft an den Kopf.
Philosophische Betrachtungen eines Einzelgängers auf dem «Traumpfad» im Wald, seine Beobachtungen als Nachbar sowie als Museumswärter in Teilzeit: Kurze Prosaskizzen umrahmen den Hauptteil dieses Buches, der in Fragmenten vom Scheitern einer Ehe erzählt, pendelnd zwischen Ich- und Er-Perspektive wie auch zwischen Emotionen und rationaler Beurteilung. Es ist die Geschichte der mitverschuldeten Vertreibung aus dem anfänglichen Paradies der Liebe, in eigenwilligem Stil beschrieben für eine andere Liebe: die kleine Tochter des Erzählers.
Gregor W. kann als dritter Band einer Trilogie gelten, denn der Protagonist ist schon in früheren Büchern des Autors aufgetreten: Unter dem Namen Wellenberg in Der ins Herz getroffene Punkt (Engeler 2005), als Gregor im Band Der Unvorbereitete (Engeler 2009). Im neuen Buch heisst Kurt Aeblis Alter Ego nun Gregor W. Seine Geschichte wird konzentriert, skizzenhaft und doch eindringlich weitererzählt, wobei es manchmal scheint, als würde der Autor seinem Alter Ego beim Schreiben über die Schulter schauen. Schicksalhaft im Hintergrund steht zudem Heinrich von Kleist.
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