Im Herbst 2023 erscheinen zwei Bände der Reihe Caracol Prosa und drei Bände der Reihe Caracol Lyrik. Die Flügel der Anderen ist das Romandebut des Winterthurer Autors Raffael Rihs. Berührend schildert er das Leben und die Entwicklung des jungen Antihelden Serafin. Der Sammelband Tintenblau wogende Stunden bringt surreale Geschichten von elf Caracol-AutorInnen – ein buntes Feuerwerk des Surrealen, das anregt zum Nachdenken über die fliessenden Ränder der Realität. Wortein wortaus: Die neuen Gedichte von Erica Engeler zeugen von der Naturverbundenheit der Autorin und von ihrer Leidenschaft für Sprache. Verwehtes Jahrhundert betitelt Jochen Kelter seinen Rückblick von 1945 bis ins Heute: starke Bilder, die nach der Lektüre weiterwirken. Ein Reiskorn auf meiner Fingerkuppe: Ruth Loosli blickt aufmerksam auf die Welt, die Gesellschaft; ihre Gedichte sind bald nachdenklich, bald heiter.
Raffael Rihs schildert berührend das Leben und die Entwicklung des jungen Antihelden Serafin Meier. Der verschlossene Einzelgänger weiss nicht recht, was er mit seinem Leben anfangen soll. Er möchte Blogger sein, aber ihm fehlt ein eigenes, spezielles Thema. Seine Ausbildung an der Journalistenschule – und parallel dazu bei einer Lokalzeitung – begeistert ihn nicht.
In den Mittagspausen spaziert Serafin durch die Altstadt und macht jedes Mal in der Buchhandlung halt, wo er die Mitarbeiterin Cleo kennenlernt. Die aufgeweckte junge Frau fasziniert ihn. Mitten im Semester der Jounalistenschule stösst zudem Ronnie, passionierter Kletterer und Wintersportler, zur Klasse. Er platziert sich an Serafins Tisch und in seinem Leben. Fortan wird Serafin sowohl von der hübschen jungen Buchhändlerin als auch vom redseligen Schulkameraden in verschiedener Weise aus der Reserve gelockt, aus seiner Komfortzone, zu der das Schweigen und seine kleine Wohnung gehören.
Zwölf kürzere «Logbuch»-Einträge berichten zeitversetzt von Serafins Aufenthalt im Tessin. Auf den «Flügeln der Anderen» findet er zur Natur – und zu sich selbst.
Raffael Rihs beleuchtet in mehreren Handlungssträngen das Leben eines Millenials in der Krise. Der Diskurs über Digitalisierung und digital detox ist aktuell. Der Autor spürt in seiner Geschichte unter anderem der Frage nach, wie ein gesunder Umgang mit permanenter Präsenz, Smartphone und Social Media aussehen könnte.
Rihs’ Protagonist durchlebt einen Wandel, sein Leben verändert sich beruflich wie privat in kurzer Zeit radikal. Trotz der ernsten Thematik ist der Text gespickt mit humorvollen Dialogen und Situationskomik, präsentiert in einer lebensnahen, authentischen Sprache.
Dieser Sammelband bringt surreale Geschichten von 11 Autorinnen und Autoren, die alle schon zuvor im Caracol Verlag publiziert haben. Die Texte in diesem Band sind bisher unveröffentlicht. Die Vorgabe an die zur Teilnahme Eingeladenen lautete: Geschichten mit irgendwie surrealem Touch. Die Schreibenden hatten also viel Freiheit und konnten ihre Phantasie beliebig spielen lassen. Das Ergebnis ist eine Sammlung von Texten, die inhaltlich wie stilistisch auf ganz verschiedene, je eigene Weise faszinieren: ein buntes Feuerwerk des Surrealen.
«Tintenblau wogende Stunden» bietet eine Fülle von Geschichten und regt an zum Nachdenken über die fliessenden Ränder der Realität.
Wortein wortaus – dieser Titel ist mehrdeutig: Er weist darauf hin, dass Erica Engeler seit Jahrzehnten tagein, tagaus leidenschaftlich mit dem Wort beschäftigt ist, tönt aber auch an, dass das Wort sich verweigern kann.
Geboren im Urwald der argentinischen Provinz Misiones und dort naturverbunden aufgewachsen, ist die Autorin in jungen Jahren zurückgekehrt in die Schweiz, die Heimat ihrer Eltern, wo sie zeitweise als Übersetzerin arbeitete. Ihr Leben war immer auch ein Leben in der Sprache, in zwei Sprachen: Spanisch und Deutsch. Lyrik schreibt sie in beiden Sprachen, wobei auch inhaltlich Varianten eines Textes entstehen. Dieser Zweisprachigkeit gilt das erste Kapitel Flüchtiges Traumgut.
Das zweite Kapitel, Unterwegs bin ich alles, zeigt die intensive Beziehung der Autorin zur Natur, zu anderen Lebensformen, zu allem, was ist.
Worttrommel heisst das dritte Kapitel. Das Wort, die Sprache, ihre Bedeutung für die Menschen, Schreiben und Lesen sind in Erica Engelers Lyrik auch selbst zum Thema geworden. Was aber geschieht, wenn sich die Sprache dem Kopf der Schreibenden phasenweise entzieht, wenn das Wort sich verweigert? Dafür hat die Autorin in ihren neuen Gedichten ebenso berührenden wie klaren Ausdruck gefunden.
Was immer bleibt: die Begegnung mit der Natur, den Jahreszeiten, mit Wasser und Wind, Tieren und Pflanzen, Licht und Dunkel, Wärme und Kälte, mit Bildern und Klängen. Wer naturverbunden aufgewachsen ist, kann sich auch ohne Sprache geborgen fühlen – und dies später doch wieder in Worte fassen.
Zum speziellen, philosopischen Gegenüber wird Erica Engeler der See, dessen verschiedende Stimmungen sie im Kapitel Wellenpartitur in einer Reihe von Gedichten spiegelt.
Jochen Kelters neuer Lyrikband ist ein Rückblick, von 1945 bis ins Heute, eine Bestandesaufnahme politischer und menschlicher Misere im 20. und Anfang des 21. Jahrhunderts. Die Sammlung umfasst 12 Zyklen mit je sieben Gedichten. Sie ist geprägt von einem Grundton der Trauer: grimmige Trauer im Politischen, stille Trauer im Privaten. Der Autor sieht der Gesellschaft, der Welt beim Entgleisen zu, sieht auch ökologisch ein «allmähliches Weltenende» kommen.
Das Rasen der Zeit quält den Beobachter: «wie schnell die Menschheit von einem / Krieg in den nächsten gestiegen ist / wir haben es längst schon vergessen»
Glücksmomente in der Schweiz sind selten: «hier eingezäunt ist der Frieden». Dem politisch engagierten Autor, der als Kind in Trümmern spielte, ist der Unterschied sehr bewusst zwischen «vom Krieg wissen» und «den Krieg erfahren». «Unsere Kriege» stehen täglich vor seiner Tür: Flüchtlinge (aus Bagdad, Kabul, Sarajevo), die als Postboten arbeiten. Die «globale Existenz» bedeutet auch: «irgendwo herrscht immer neuer Krieg / irgendwo ist stets eine Pandemie».
Zuflucht bietet nur die Poesie, sie ist «täglich Brot», «einzig Licht der Seele», «die Poesie ist die Waffe einer Zukunft / in der wir Brüder und Schwestern sein werden».
Zu den versöhnlicheren Texten gehören Naturbeobachtungen und Begegnungen mit «kleinen Leuten», etwa mit einem gelernten Schlosser, der Cicero gelesen hat und den Dichter in ein Gespräch über geschriebenes und gesprochenes Wort zieht, mit einem irischen Tramper oder einem pensionierten Teppichhändler in Paris. Auch «kleine» Begegnungen können Geschichte spiegeln.
Der Stil von Kelters neuen Gedichten ist oft prosanah, aber mit vielen Zeilensprüngen, Schachtelsätzen und ambivalenten Bezügen; er zwingt zum Nachlesen und Nachdenken. Aus der Erinnerung evoziert der Autor starke Bilder, die nach der Lektüre weiterwirken.
In ihrem neuen Lyrikband zeigt sich Ruth Loosli wortverspielt und ernst zugleich. In fünf Zyklen vereint sie eine Vielfalt an Themen, die sie zu Gedichten und kurzen Prosatexten verwebt: Politik und Gesellschaft vermischen sich mit persönlichen Erfahrungen und Eindrücken. Alltägliche Bilder sind hinterlegt mit Fragen an diese Welt.
Die sich wandelnde Weltlage ist immer wieder Thema: Klimawandel und die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine sind in den Gedichten spürbar. Auch die Pandemie und die damit verbundene Zeit des Eingesperrtseins klingen in den Gedichten nach.
Der Liebe in ihren verschiedenen Variationen widmet Ruth Loosli den Zyklus Spiele um Liebe, in dem sie ihren Wortwitz gekonnt in Szene setzt. Sie spielt mit Gedichtformen und Assoziationen und zeigt, wie facettenreich Liebe ist, ob innerhalb der Familie oder im Freundeskreis. Sie steht «zwischen Chemie und Chaos», lässt das Herz überquellen «wie ein / Hefeteig den man zu lange / gehen lässt».
Trotz ernster Untertöne gelingt es Ruth Loosli immer wieder, in wenigen Zeilen Heiterkeit und Lichtblicke zu zeichnen: Schmunzeln lässt das kurze Gedicht «Zum Foto des Geliebten» oder das poesiekundige Krokodil auf dem Bauplatz.
Begleitet wird die Lektüre von Schreibbildern der Autorin, die von ihrer immerwährenden Beschäftigung mit Wortfeldern zeugen. Sprache ist Waffe, «Widerstand / WiderWort» im Alltag, der bedrängt, einengt oder die Grenzen der Zeit sprengt. «Jeder Tag ist eine Fläche / mit offenen Fragen», schreibt Ruth Loosli. Mit ihren Gedichten sucht sie nach möglichen Antworten.
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